Universal-Filme kommen schneller ins Heimkino: Professor Thorsten Hennig-Thurau im Interview mit Web.de
Filme der Universal-Studios dürften zukünftig in den USA schon kurz nach dem Kinostart auch als Stream angeboten werden. Darauf haben sich die Kinokette AMC und Universal geeinigt. Lag die Frist bislang bei 75 bis 90 Tagen, so sieht die aktuelle Vereinbarung vor, dass Kinofilme fortan bereits nach 17 Tagen im Heimkino zu sehen sein können, wenn das Studio dies für sinnvoll hält. Im Gegenzug werden die AMC-Kinos an den Streaming-Erlösen beteiligt. Beide Unternehmen kündigten zudem an, eine ähnliche Vereinbarung auch für den europäischen Markt schließen zu wollen. In Deutschland gehören beispielsweise die Kinos der Odeon & UCI Cinemas Group zu AMC. Käme es zu einer Einigung, hätte diese spürbare wirtschaftliche Auswirkungen für die Kinobetreiber.
Ein zentraler Grund für Besucherinnen und Besucher, ins Kino zu gehen und hierfür Geld zu bezahlen, ist die Sperrfrist der Filme zwischen Kino- und Home Entertainment-Start. „Das sogenannte 'Kinofenster' ist seit nunmehr fast 20 Jahren, als die Umsätze durch DVDs zur relevanten Größe in den Kalkulationen der Filmstudios wurden, einer der größten Streitpunkte der Filmindustrie, und zwar in Deutschland genauso wie in Nordamerika“, erklärt Professor Thorsten Hennig-Thurau vom Lehrstuhl für Marketing & Medien in einem aktuellen Interview mit Christian Stüwe von Web.de. Eben diese Exklusivität gerate durch die nun geschlossene Vereinbarung in Gefahr.
Aufgrund einer gesetzlichen Regelung ist eine ähnliche Vereinbarung in Deutschland nur für Filme denkbar, die nicht von der Filmförderungsanstalt unterstützt werden. Diese dürfen grundsätzlich erst nach sechs Monaten außerhalb des Kinosaals gezeigt werden. Amerikanische Blockbuster zählen also nicht dazu. „Die Verlierer wären dann - wieder einmal - die deutschen Produzenten, denn deren Filme wären von einer solchen Regelung wegen des Filmförderungsgesetzes ausgeschlossen. Während also dann die amerikanischen Kollegen und deren deutsche Dependenzen ihre Ausgaben durch frühe digitale Verkäufe oder durchs Streaming bei Netflix oder Amazon kurz nach dem Kinostart zumindest teilweise wieder hereinholen könnten, bliebe den Deutschen nur das Warten“, analysiert Professor Hennig-Thurau.
Kinobetreiber werden sich aufgrund der kürzeren Exklusivfenster vermehrt im Wettbewerb mit den Streaminganbietern behaupten müssen. „Das Hauptproblem der Kinos: Sie haben eben nicht nur ihre Lieferanten in Gestalt der Filmstudios gegen sich, wenn sie auf Gedeih und Verderb an der Sperrfrist festhalten - sondern auch viele Zuschauer", so Professor Hennig-Thurau. Die Kinobetreiber hätten sich selbst durch jahrelange strategische Passivität in die schwierige Situation manövriert, die nun durch die Pandemie-bedingte Krise verschärft wird, sagt der Münsteraner Medienökonom. Das Dilemma sei, dass Geschäftsmodelle, die sich auf Basis von Macht und Lobbyismus gegen die Zuschauerinteressen stellen, „noch nie besonders gut funktioniert in der Wirtschaftsgeschichte haben, da irgendwann immer Anbieter einen Weg finden, die Wünsche des Kunden zu bedienen. Das war erst das illegale Napster, dann zwanzig Jahre später das legale Netflix.“
Das gesamte Interview mit Professor Hennig-Thurau finden Sie hier bei Web.de.